Quelle: Riesengebirgsheimat – Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe – 19. Jahrgang (LB H)

Über Simon Hüttel und seine Werke

von Franz Schöbel

Der Trautenauer Chronist und Maler Simon Hüttel (1530 – 1601) hat uns mit seiner Chronik der Stadt Trautenau ein wertvolles Buch hinterlassen. Es gibt kaum ein Gebiet, für das sich die Benutzung dieses geschichtlichen Werkes nicht als nützlich erweisen würde. Als guter Beobachter des damaligen Lebens in seiner Vaterstadt, aber auch weit darüber hinaus, hat er Jahr für Jahr alle wichtigen Ereignisse sorgsam aufgezeichnet. Ihm kam dabei die enge Verbundenheit mit den Geschicken der Stadt zugute. Als Maler und aufgeschlossener Mensch wurde er zu vielen öffentlichen Rechtsgeschäften herangezogen und erhielt damit Einblick in die Verwaltung seiner Heimatstadt.

Obwohl erst im Jahre 1530 geboren, läßt er sein Memoratief, womit er seine jährlichen Begebenheiten einleitet, bereits mit dem Jahre 1484 beginnen. Dabei fing er erst 1538 an, seine Chronik zu schreiben. Wenn es ihm möglich war, die Ereignisse der verflossenen hundert Jahre einzufangen, wird man in der Annahme nicht fehlgehen, daß ihm ein reiches Schriftenmaterial zur Hand war, aus dem er schöpfen konnte. Hüttel konnte viele alte Urkunden verwerten, die dann beim zweiten Stadtbrande im Jahre 1583 ein Raub der Flammen wurden. Darum hat seine Chronik hohen Wert, weil uns hier der Wortlaut so manch alten Schrift erhalten blieb. Sicher aber konnte er auch auf ältere gedenkbuchartige Aufzeichnungen zurückgreifen, die er dann chronologisch einordnete. Die alten Privilegien der Stadt waren vor 1485 verbrannt und wurden nachher von den Stadtvätern zum Hof (Königinhof) nach den Angaben von alten Gedenkmännern neu aufgeschrieben und vom König konfirmiert.

Aber erst die Drucklegung, von Dr. Ludwig Schlesinger vorbereitet und vom Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen vorgenommen, hat dieses wichtige und einmalige Geschichtswerk der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Chronist Hüttel hat sich aber nicht mit der Führung seines Memoratiefs begnügt, sondern noch vier weitere Arbeiten verfaßt. So schrieb er 23 Predigten ab, die die Pfarrer der umliegenden Dörfer entworfen hatten. Jene waren verpflichtet, einmal in der Woche in Trautenau zu predigen. Diese Sammlung ist nicht erhalten. Dann den kurzen Auszug aus dem Memoratief, der die Reihenfolge der Pfarrer und Kapläne, der Schulmeister sowie der Bürgermeister, Stadtvögte und Stadtschreiber Trautenaus über einen Zeitraum von hundert Jahre enthalten. Der Auszug wurde mit der Chronik veröffentlicht. Ferner die Gründung Trautenaus und der Nachbardörfer, kurz Dorfchronik genannt und schließlich das Stammbuch der Silber von Pilnikau auf Silberstein.

Bei den beiden letztgenannten Arbeiten Hüttels müssen wir etwas länger verweilen. Sie sind nicht im Druck erschienen; das Stammbuch liegt in einer Abschrift vor, während die Dorfchronik in vielen Abschriften in den Archiven ruht. Sie berichtet weitläufig, wie sich Räuber im Gebirge festsetzen, befestigte Türme anlegen, wie Herzog Udalrich den Albrecht Trautenberger aussendet, diese zu vertilgen und wie es dann zur Erbauung von Trautenau und der umliegenden Dörfer kam. Das alles wird so ausführlich geschildert, als wenn Hüttel Zeitgenosse alles dessen gewesen wäre. Dabei fehlt nicht, wie der Lindwurm gefangen, getötet und nach Brünn überführt wird. Von den genannten 60 Dörfern erhält die Dorfchronik nur 50. Die übrigen zehn sind Meierhöfe und Lehngüter, wie sie noch zu Hüttels Zeiten bestanden. Was die Gründung von Trautenau und der Dörfer anlangt, so fällt sie in die Jahre 1006 bis 1029. Im Jahre 1056 soll das Schloß Silberstein erbaut worden sein. Unter den Gründungen ist Arnau und Hohenelbe nicht genannt. In der Hauptsache werden die Dörfer des Trautenauer Bezirkes angeführt. Er verlegt die Vorgänge vor der eigentlichen Siedlungstätigkeit in die Regierungszeit des böhmischen Herzogs Jaromir und seines Gegenspielers Udalrich. Nun erhebt sich die Frage: Kann Hüttel, was den Zeitpunkt anlangt, vorbehaltlos gefolgt werden? Hat sich die Besiedlung des Riesengebirgsvorlandes bald nach dem Jahre 1000 vollzogen oder sind die Jahreszahlen frei erfunden? Auf diese Fragen geben die erhaltenen Urkunden Antwort.

Vor dem 3. April 1260 verleiht Ägidius von Schwabenitx dem Kloster Zderas bei Prag die Dörfer Lubcze und Debrny mit anderen Einkünften. Ägidius nennt sich von Upa, Herr der Burgen Usov und Schwabenitz und Kämmerer von Vöttau und wird mit seinem Sohne Veit als Förderer dieses Klosters bezeichnet. Als Richter fungiert zu Upa Alber, sicher ein Deutscher, während die anderen Zeugen der Urkunde durchwegs slawische Namen haben. Bereits 19 Jahre früher begegnen wir diesem Ägidius bei der Schenkung des Miletiner Landes mit der provincia Oelsnich, dem Gebiete von Oels bei Arnau, an den Deutschen Ritterorden. Er heißt dort Ägidius von Olmütz und Bruder des Olmützer Kämmerers Milichius. Ebenfalls im Jahre 1260 begrenzt der Prager Bischof Johannes den Trautenauer Kirchensprengel. Daraus geht hervor, daß Upa-Trautenau damals schon an die 20 Jahre und mehr bestand. Seine Entstehung kann in die Zeit von 1240 angesetzt werden. Denn bei Miletin wird diese Begrenzung erst 26 Jahre später (1267) vorgenommen. Der Bischof wartete ab, bis sich die neuen Siedlungen gefestigt hatten. So ähnlich wird es auch hier gewesen sein. Als Bestandteile des Kirchsprengels werden die Orte genannt: Upa I und Upa II, Humbrocz oder Vogschi, Antiqua villa, Porecht, Ostrosniche, Boletim, Lysa, Lubech, Dobrni, Brusnicz mit allen ihren Zugehörungen. Unter Upa I und II ist Trautenau zu verstehen, dann Hohenbruck, Altdorf oder Altstadt, Parschnitz, Ostosniche und Lysa sind unbestimmbar, Wolta, Gabersdorf, Döberle und Deutsch-Prausnitz. Bei Hohenbruck sehen wir, daß das ältere slawische Vogschi bereits der deutschen Siedlung Platz gemacht hatte. Damit ist bewiesen, daß in jene Zeit die deutsche Landnahme zu setzen ist. Die übrigen Namen weisen in eine ältere slawische Besiedlungsperiode. Aber nicht nur die Datierung verlegt Hüttel in eine Zeit, die mehr als 200 Jahre vor der ostdeutschen Kolonisation liegt, auch die Namen der Dorfgründer, meist tschechische, sind willkürlich gewählt. Ein Beispiel: Das Adelsgeschlecht der Witanowsky von Wltschkowitz war zur Zeit Hüttels in Südböhmen begütert. Er läßt es als Gründer von Wildschütz erscheinen. Viele Gründernamen sind durch das Abschreiben von Abschriften so verstümmelt worden, daß ihre wahre Gestalt nicht mehr zu erkennen ist. Oft lehnt sich der Name an den Ortsnamen an, wie das Beispiel Wildschütz gezeigt hat.

Das Stammbuch der Silber hat Dr. Anton Blaschka auf einer Buchausstellung in Prag entdeckt und im Riesengebirgsjahrbuch 1923 beschrieben. Es führt folgenden Titel: "Stam Buch des Edlen Silber Stamb der Edlen gestrengen Herren Sielber von Sielberstein und Pilnikau, Herren auf Wiltschitz und Schurtz etc. Dies Stammbuch hat zuerst beschrieben der ehrwürdige hochgelehrte Herr Kaspar Georg, dieselbige Zeit Dechant zu Trautenau, und es dem ehrbaren Balthasar Hütel neben anderen alten beschriebenen Sachen, die Herrschaft Trautenau angehörig, vorehret, welches altes Buch auf den ehrbaren kunstreichen Simon Hüttel, Maler zu Trautenau, geerbet, der es nachmals mit großer Müh die Ankunft und Wesen dieses edlen Geschlechtes zusammengetragen und beschrieben und es dem edlen gestrengen Herrn Adam Sielber von Sielberstein auf Trzebnauschewsy und Schurz S. G. und Erben dediciret und übergeben hat im Jahr nach Christi, unseres Heilandes, Geburt 1593. – Dieses aber ist aus demselben geschrieben und etliche Jahrzeiten richtiger nach den Chroniken vorfertiget den 19. Martii 1602. – Salomon Wenczky." Dechant Kaspar Georg, Hüttel nennt ihn Gyrig, wirkte in Trautenau von 1493 – 1520. Er scheint nur der Verfasser des Stammbaums zu sein. In Balthasar Hüttel dürfen wir den Vater Simons erblicken, auch wenn er niemals auf seine Angehörigen zu sprechen kommt. Die Sage über das Geschlecht der Silber hat Hüttel zum Verfasser. Sage und Stammbaum beginnen mit dem Jahre 999. Er schildert die Ankunft des Ahnherrn Wolf von Ulstadt in Prag, seine Liebe zu Anna von Bünau, seine Vertreibung durch den Herzog Spytihnev, wie er im Riesengebirge auf die 50 Bergleute stößt, den Silberbergbau beginnt und wieder vom Herzog in Gnaden aufgenommen wird. Auch hier soll der Silberbergbau zur Begründung des Namens Silber stehen. Nun können zwei Gründe zur Niederschrift des Stammbuches geführt haben. Entweder wollte Hüttel dem Adam Silber den Nachweis seines uralten Geschlechtes erbringen oder aber hatte Adam ihm den Auftrag erteilt, eine Chronik seiner Ahnen zu schreiben. Daß man damals auf historische Glaubwürdigkeit weniger Wert legte als auf einen alten Stammbaum, ist nicht weiter zu verwundern. Hüttel hat dem in glänzender Weise Rechnung getragen. Den Ahnherrn läßt Hüttel im Jahre 1053 nach Prag ziehen, 1055 wird er aus Prag vertrieben und erbaut 1056 das Schlößlein Brzecstein, später Silberstein geheißen. Was ist aus historischer Sicht von dem Stammbuch zu halten? Welche geschichtlichen Tatsachen stehen ihm gegenüber?

Das Geschlecht der Silber soll nach neueren Forschungen einem deutschen Bürgergeschlechte der Stadt Königgrätz entstammen. Dort kann es frühestens nach 1225 ansässig geworden sein, als Königgrätz aus der alten Gauburg 1225 königliche Stadt wurde. Aber erst im Jahre 1388 wird Jesco (Johannes) dictus Silherz de Billungisdorff als Patron der Kirche in Pilnikau und Besitzer des Dorfes Billungsdorf (Pilnikau) genannt. Nachweislich wirkte er dort bis 1404. Sein Besitznachfolger und Patronatsherr ist Nicolaus Zilber de Pillingiuilla im Jahre 1417. Die Silber waren früher auch in Weikersdorf (Trzemeschna) und Tschermna ansässig. So werden als Patrone von Tscherna erwähnt: 1406 Cunsso dictus Zelbir de Czermna, 1416 Mixico de Zilberg, 1417 Nicolaus genannt, 1418 Miksso dictus Sylwer als armiger. Aber auch in Wildschütz, dem späteren Stammsitz, kommen 1418 neben Ulman de Neules Pessico Zilberg und Nicolaus de Bilungsiuilla als Kirchenpatrone vor. Pilnikau, nach dem sich das Geschlecht bis zum Aussterben schrieb, blieb stets Bestandteil der Herrschaft Wildschütz. In Wildschütz behaupteten sich die Silber bis nach der Schlacht am Weißen Berge auf ihren Besitztümern. Der unbekannte Fortsetzer des Stammbuches beendet es mit dem Satze: "Dieses Jahr (1622) ist Herr Hans Silber mit seinen zweien Söhnen Johanne und Adamo nach Niederland in Gravenhaag verreiset." Er mußte gleich seinen Verwandten ins Exil gehen.

Der beigegebene Stammbaum beginnt mit dem Jahre 999, wo der Vater des sagenhaften Wolf von Ulstadt, auch Wolf, geboren sein soll. Die Namen der Ehefrauen der Nachkommen sind den böhmischen Geschlechtern entnommen, wie sie später in der Landesgeschichte vorkommen. Erst mit dem Jahre 1468 sind die Nachkommen historisch verbürgt. Hüttel nennt den Anherrn Wolf von Ulstadt, von Ach gebürtig, sieben Meilen von Köln am Rhein gelegen. Dieser Wolf hat wirklich gelebt, aber viel später. In seiner Chronik finden wir zum 10. Juni 1519 den Satz: ".. und ein Edelmann Wolfgang von Ulstett, der allhier in der Kirchen neben dem hohen Grabstein begraben ist worden." Dieser Ort dürfte Uhlstädt in Thüringen sein, denn im Raume Aachen kommt er nicht vor.

So erweisen sich die Dorfchronik und das Stammbuch der Silber als historisch unecht. Es mag zur Zeit Mode gewesen sein, geschichtliche Ereignisse in eine frühere Zeit zu verlegen. Hüttel folgte treu solchen Beispielen. Das Stammbuch stellt eine Glanzleistung dar, was die Liebesgeschichte mit Anna von Bünau betrifft. Hüttel war bereits 65 Jahre alt, als er an die Niederschrift des Stammbaumes und Stammbuches ging. Hier hat er seine Fähigkeit bewiesen, als Erzähler aufzutreten.

Damit soll in keiner Weise sein großes Verdienst, das er sich bei der Nachwelt mit seiner Chronik erworben hat, eine Schmälerung erfahren. Wir besitzen aus der Vergangenheit im ganzen Riesengebirgsvorlande kein ähnliches Buch. Das alte Arnauer Stadtbuch aus dem Jahre 1477 ist leider verschollen. Es könnte der Chronik, was die Besitzverhältnisse, die Stadtverwaltung, ihre Einrichtungen und die Bürgerfamilien betrifft, ebenbürtig an die Seite gestellt werden.

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